9. Oktober 2015

32. Réttir// trotz nicht Verstehen, Verstehen

Jeden Sommer werden die Schafe, von denen es hier eine Menge gibt, eingeschränkt frei laufenlassen. Oft kann man beim herrumfahren ziemlich planlos durch die Gegend rennende Schafe entdecken. Über Berge, über Straßen, durch Flüsse. Gerne zu dritt, Mutter und zwei Lämmer.

Jeden Hebst werden dann all diese Schafe wieder eingesammelt. Alle Farmen, die Schafe besitzen holen diese im Hebst wieder in die Ställe, beziehungsweise auf Wiesen in der Nähe von diesen, bis zum ersten Schnee.
Dieses in die Berge gehen und die verstreuten Tiere einsammeln nennt sich Smala, Man bringt alle Schafe, die man findet nach unten und zu einem Platz, an dem ein Rundes Gatter aufgestellt ist, jede Farm in der Umgebung hat dort eine Art Tortenstück, nach und nach werden die Schafe dann in die Mitte des Kreises gelassen und anhand der Ohren und der daran befestigten Marke kann man dann den Besitzer feststellen.
Findet man ein zu sich zugehöriges Schaf klemmt man sich dieses dann zwischen die Knie, packt es an Hörnern oder Nackenfell und zerrt sie ins dazugehörige Gatter. Klingt und sieht gehörig einfacher als es ist, denn Schafe sind wirklich störrisch! Springen, Rennen, Zerren, Hinfallen ein wahrer Kampf, von beiden Seiten.Das ganze wird häufig noch ein oder zweimal wiederholt, um wirklich alle verirren Schafe aus den Bergen zu bekommen.


Da meine Isländischen Großeltern, Amma und Afi, eine Schaffarm besitzen konnte ich das ganze miterleben!

3 Wochen Réttir.

Am ersten Freitag hab ich zuerst geholfen viel Proviant fertig zu machen, Brote schmieren, Kekse stapeln. Die Männer waren schon seit dem frühen morgen in den Bergen, zu Fuß, auf Quads. Am frühen Nachmittag sind wir dazugestoßen, schon von weitem sah man lange Reihen von Schafen den Berg runterwackeln. Unten hab ich noch geholfen sie ein wenig zu sortieren, das war aber noch nicht das große Spektakel! Es war ein wunderschöner Abend, Sonnenuntergang an der Bergspitze, Sonnenstrahlen gefangen im Fell der Schafe und Dampf der scheinbar von ihnen aufstieg und dann später Hüfthoher Nebel, aus dem Boden.  

Am Samstag bin ich mit meiner Familie zum Hrútafjörður gefahren, einer benachbarten Regin, in der
auch gerade Réttir stattfand.
Wir haben trotz der nicht kleinen Entfernung aber doch einige Schafe von unserer Region einsammeln können! 
Am Sonntag fand das Ganze dann für unsere Region statt,
In der Woche danach bin ich dann um die Mittagseit aus der Schule und mit meinem Afi in die Westfjorde, er fährt mit seinem Truck durch Halbisland um Schafe abzuholen und zum Schlachthof zu bringen, und ich durfte mit! Natürlich ist das ganze Réttir eben auch damit verbunden, dass die Farmer diese Schafe als Lebensunterhalt verkaufen und Schlachten. Ganz neu für mich diese seite kennenzulernen, aber was für eine Chance!

Am Wochenende darauf gab es ein kleines Zusammentreiben auf dem flachen Grundstück von Amma und Afi. Und dann wurde sortiert, welche Lämmer geschlachtet werden und welche nicht.
Das ganze ist nicht die wohlriechenste Arbeit, Blut und Schafkacke... Hab mir gesagt, dass ich jetzt schlecht das Stadkind spielen kann und nach ner Weile gewöhnt man sich auch dran!

Dieses Wochenende bin ich dann mit auf Smala gegangen, um die restlichen Schafe einzusammeln. Oben in den Bergen lag ein wenig Schnee, aber die Sonne schien und es war wunderschön das Tal glitzernd von oben zu sehen!

Ich war ganz Outdoorpraktisch eingepackt, wasserfest von oben bis unten.
Fleecejacke, Lopapeysa, Regenjacke, Thermoleggings, Sportleggings, Regenhose, Themosocken, Wollsocken, Gummistiefel, Handschuhe und Mütze.
War auch gut so, da es teilweise echt Wadentief Matsch war und wir haben sogar einen 3 Meter breiten Fluss überquert! Auf dem Hochplateau bin ich zusammen mit Amma rumgelaufen, hin und her um wirklich jedes Schaf zu erwischen, dann sind wir getrennt hinunter gelaufen, zwar in ferner Sichtweite, aber es ist schon echt cool so unabhängig einen vollen Part bei der ganzen Aktion zu übernehmen!
Mit lauten und hohen Rufen, Pfeifen und auf und ab springen treibt man dann die Schafe langsam den Berg runter. Unten gabs dann eine isländische Stärkung, Kaffee, Kleinur (Isländischer Donut) und Harðfiskur mit Butter. 
Als ich beim Smala auf dem Weg nach unten die Jacke und Mütze ausgezogen habe, und somit so warm, wie die männlichen Isländer angezogen war, hab ich mich sehr isländisch gefühlt.
Später beim Essen, eingekuschelt in Fleece und Lopapeysa nur um festzustellen, dass beinahe jeder nur im Tshirt dasaß, dann eher wie ne deutsche Frostbeule.

Woran erkennt man, das das Wetter sogar für Island ungemütlich ist? Man holt seine orangene Regenkleidung raus, hier hat fast jeder, der Farmkontakt hat die selben Sachen und mann, ich war echt froh dass ich mir welche leihen konnte! Wieder gings ans Schafe sortieren und ich hab das Gefühl, dass ich den Dreh langsam raus hatte. Schafe an Ohren identifizieren, Nummer kontrolieren und den Kampf bis zum Gatter gewinnen!

Nach all den anstrengenden Tagen gab es dann Abends immer ein tolles Essen bei Amma und Afi Zuhause,
Lamm, so frisch und unter solchen Konditionen aufgezogen ist etwas ganz anderes, als das, was man in Deutschland
bekommt. Hier wird es gerne mit Kartoffeln, Salat, Sauce und Rhabarber Marmelade gegessen,
die ist hier eh sehr beliebt!
Die Kombination mit der süßen Marmelade mag erstmal sehr befremdlich klingen, mir ist gleich die Szene
aus wer die Nachtigall stört eingefallen, die mit dem Sirup.
Lasst euch eins sagen, es schmeckt fantastisch gut!

Ich habe unglaubliches Glück, all das erleben zu dürfen, wer hätte gedacht, dass aus dem Stadtkind in nur, schon 7 Wochen ein solches Landei werden kann, Schafkacka inclusive.
Und wie schön es ist, trotz Sprachbarriere, trotz ja eigentlich nicht ganz dazugehören, trotz meiner Ungeübt und Ungeschicktheit, trotz allem, was mich  ja eigentlich von der Welt dieser Menschen unterscheidet. Das trotz aller Unterschiede zusammen gelacht wird, das ermutigt, erklärt und darauf geachtet wird, wo ich eigentlich bin, das ich am Ende des Tages zusammen mit allen am Tisch sitze und nichts verstehe, das ich mich aber trotz dessen zugehörig fühle.

Samstag Abend, am Tischsitzend mit den Männern, während die Frauen auf der Couch saßen.
"Do you eve understand, what they are talking about??"
Kopfschütteln.
"Bíl, Cars!"
"Dont you want to come to the couch?"
Kopfschütteln.

Auch wenn man nicht versteht, die Atmosphäre, die von Menschen ausgeht, wenn sie sprechen ist etwas ganz besonders. Auch wenn ich die Witze nicht verstehe, Lachen fühlt sich gut an.
"Did you understand?"
"Nei!"
Egal, ich werde verstehen, jedenfalls ist das mein Ziel. Wenn ich ich also einen Witz nicht versteh sag ich mir selbst, das ich vielleicht den nächsten verstehe und bis dahin einfach mitlache.
Und somit ist es eben egal, ob es um Autos oder whatever geht. Hauptsache das Gespräch lässt mich die Frustration vergessen, das ich ja eigentlich nicht die Bohne verstehe.







Warten.




Hrútafjörður




Vestfirðir, Westfjorde.



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Lily

3 Kommentare:

  1. Lily,
    aus dir wird echt ein waschechtes Dorfkind! :* (Dorfkind passt nich..Landei war ne gute Bezeichnung!:D)
    Wunderwunderwunderbare Fotos
    <3
    Vera

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  2. Da krieg ich ja echt glatt Lust nach Island zu kommen!

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